Entweder verbietet die österreichische Finanzmarktaufsicht tatsächlich Crowdfunding (Schwarmfinanzierung)[1], oder ich habe einen erheblichen Gedankenfehler übersehen. Was meint ihr dazu?
Crowdfunding besteht aus mehreren wesentlichen Teilen: Wir brauchen zunächst einen potenten Investor, der gerne bereit ist, ein gewisses Risiko bei seiner Strategie einzugehen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass rund 90% der Start-Ups floppen, wenn du aber mit deiner Geschäftsidee zu den restlichen 10% gehörst, hast du ausgesorgt. Darauf setzt der Investor: er wettet, dass die zu unterstützende Geschäftsidee eine von den wenigen sein wird, die sich langfristig durchsetzen (und dass das Gründerteam das Startkapital nicht verjuxt). Diese Konstellation wird durch niedrige Zinssätze auf Spareinlagen begünstigt, denn dann bestehen gute Chancen, dass sich auch „normale“ Leute, die sonst wenig risikofreudig sind, am Crowdfunding beteiligen. Neben einer erfolgreichen Crowdfunding-Plattform (die es schafft, regelmäßig Interessierte User anzulocken) braucht es selbstverständlich die clevere, besondere oder gar einzigartige Geschäftsidee, in die man investieren soll. Die meisten von euch haben sich vermutlich schon einmal eine solche Plattform angesehen: man bekommt einen kurzen Einblick in den Businessplan des Gründerteams und wird letztendlich dazu aufgefordert, auf deren zukünftige Erträge zu wetten. Oder man kauft sich Produktgutscheine für noch nicht produzierte Waren. Oder man vertraut dem Musiker, dass auf der nächsten Platte tolle Songs zu finden sind (Clara Luzia).
Kurz gesagt: jemand stellt seine Geschäftsidee vor und möchte kleine Geldbeträge erhalten, um seine Idee zu verwirklichen. Im Gegenzug bietet er noch herzustellende Sachgüter oder Rückzahlung des eingesetzten Kapitals (plus Risikoaufschlag/Zinsen) an. Mich erinnert das Geschäftsmodell stark an Heini Staudinger: er hat ab 2003 „Sonnengutscheine“ (später in „Apfelbäumchen“ umbenannt) herausgegeben – rund 200 Privatpersonen haben sich mit jeweils 3.000 – 50.000 Euro beteiligt.[2] Der Käufer dieses Sonnengutscheins hat dafür in den Folgejahren Warengutscheine inklusive vier Prozent Zinsen erhalten. Mit dem eingesammelten Kapital hat Staudinger eine zusätzliche Lagerhalle gebaut, um mehr Leute mit seinen tollen Waren bedienen zu können, außerdem hat er eine Photovoltaikanlage errichtet, um von externen Energieversorgern unabhängig zu werden – aus meiner Sicht der klassische Crowdfunding-Vorgang (jemand sammelt Geldbeträge ein, finanziert damit seine Geschäftsidee und schüttet den erwirtschafteten Gewinn in Naturalien aus). Das Ende ist wohlbekannt: die Finanzmarktaufsicht hat festgestellt, dass Heini Staudinger unerlaubte Bankgeschäfte getätigt hat, indem er Geldsummen entgegengenommen hat und dafür Warengutscheine ausgeteilt hat. Man verbietet dem GEA-Fabrikanten also, den Beteiligten Zinsen auszuzahlen – Zinsen, die wir in dieser Höhe von Banken schon lange nicht mehr bekommen.
Das Ende? Nein, noch nicht ganz. Staudinger hat daraufhin sein Crowdfunding-Modell gezwungenermaßen auf Nachrangdarlehen umgestellt und weigert sich bis heute, die festgesetzte Strafzahlung in Höhe von € 2.626,- an die FMA zu überweisen – er habe nichts Unrechtes getan, sondern vielmehr die Wirtschaft belebt. Den letzten negativen Jahresabschluss hatte er übrigens 1997. Vor Entwicklung und Ausgabe des überaus erfolgreichen Apfelbäumchen-Modells (Volumen drei Millionen Euro). Letzten Mittwoch hätte die fällige Strafzahlung exekutiert werden sollen, doch der Exekutor kam nicht, kam nicht, kam nicht[3]. Persönlich finde ich die Zusammenhänge kurios: die FMA möchte scheinbar nicht, dass Staudinger gut wirtschaften kann und pfändet seine Waren (im Wert von 10.000 Euro). Um die Geldsumme zu bekommen, werden die Waren versteigert. Die FMA kümmert sich um den Verkauf von Staudingers Produkten, zahlt ihm den überschießenden Erlös aus und verhilft GEA somit zu einer weiteren Käuferschicht, macht die Firma international bekannt. Ich habe selten so gute Seiten an der FMA entdeckt ;)
Habe ich nun in meiner Argumentation einen Gedankenfehler übersehen oder will die Finanzmarktaufsicht tatsächlich mündigen und zudem überaus erfolgreichen Geschäftsleuten Crowdfunding verbieten? Und den Konsumenten die Chance nehmen, sich an der Entwicklung toller innovativer Produkte zu beteiligen?
Weiterführende Ideen finden sich in meiner universitären Abschlussarbeit zum Thema Crowd Resources[4]. Das Titelbild ist von Robert Jäger/APA aufgenommen worden.